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EU-Lieferkettenrichtlinie und Compliance-Pflichten für Unternehmen

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Die EU-Lieferkettenrichtlinie bringt neue Compliance-Vorschriften für Unternehmen

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Die EU-Lieferketten-Richtlinie legt Sorgfaltsstandards für Unternehmen in Bezug auf die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltvorschriften entlang der  Wertschöpfungskette fest. Unternehmen müssen ihre Strategie damit in Einklang bringen und Compliance-Systeme entwickeln. Stephan Denk und Iris Hammerschmid von Freshfields Bruckhaus Deringer erörtern.

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Nach einem intensiven politischen Verhandlungsprozess und mehrfach verschobenen  Abstimmungen hat der Rat der Europäischen Union am  15. März 2024 die EU-Lieferkettenrichtlinie (Lieferketten-Richtlinie) angenommen. Damit kann das Europäische Parlament die Richtlininie noch rechtzeitig vor den Europawahlen im Juni 2024 verabschieden.

Die Lieferketten-Richtlinie legt Sorgfaltsstandards für Unternehmen in Bezug auf die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltvorschriften entlang der  Wertschöpfungskette fest und fordert die Ausrichtung der Unternehmensstrategie an den Zielen des Pariser Klimaabkommens. Die Verabschiedung der Lieferketten-Richtlinie besiegelt den Trend von der Umwandlung von menschenrechtsbezogenen Soft Law-Standards (wie den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte) in Hard Law im Bereich der Lieferkettenregulierung.

Anwendbar auf EU und Nicht EU-Unternehmen

Die Lieferketten-Richtlinie gilt für EU-Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten und einem weltweiten Nettoumsatz von mehr als 450 Millionen Euro, aber auch für Nicht-EU-Unternehmen mit einem jährlichen Nettoumsatz von mehr als 450 Millionen Euro in der EU.

Pflichten der Unternehmen

Die verpflichteten Unternehmen unterliegen umfangreichen menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten; die Richtlinie widmet sich u.a. der Bekämpfung von moderner Sklaverei und Kinderarbeit oder der Verletzung bestimmter Umweltstandards, wie der Ausfuhr gefährlicher Abfälle.

Unternehmen müssen risikobasierte menschenrechts- und umweltbezogene Sorgfaltspflichten beachten und diese fortan in ihre Risikomanagementsysteme integrieren. Potenzielle oder tatsächlich nachteilige Auswirkungen auf Menschenrechte und Umweltstandards sind zu identifizieren, zu vermeiden, abzuschwächen oder zu beheben. Unternehmen haben auch wirksame Beschwerdemechanismen für Betroffene einzurichten.

Verpflichtungen aus der Lieferketten-Richtlinie sollen nicht nur für die eigenen Aktivitäten des Unternehmens gelten, sondern auch für Tätigkeiten der eigenen Tochterunternehmen; der vorgelagerten (upstream) Geschäftspartner im Zusammenhang mit der Herstellung von Waren oder der Erbringung von Dienstleisungen; und nachgelagerter (downstream) Geschäftspartner im Zusammenhang mit dem Vertrieb, dem Transport und der Lagerung von Produkten, wenn diese Geschäftspartner Tätigkeiten für das verpflichtete Unternehmen oder in dessen Namen ausführen.

Sorgfaltspflichten bestehen auch für indirekte Geschäftspartner, d. h. Unternehmen, die keine direkte vertragliche Beziehung zu dem verpflichteten Unternehmen haben, aber Geschäfte im Zusammenhang mit den Tätigkeiten, Produkten oder Dienstleistungen des Unternehmens tätigen. Im upstream Bereich sind somit Unternehmen, die zur Herstellung eines bestimmten Produktes/Erbringung einer Dienstleistung beitragen von den Verpflichtungen der Lieferketten-Richtlinie umfasst. Im downstream Sektor sind jene Unternehmen verpflichtet, die eine vertragliche Vereinbarung im Zusammenhang mit dem Vertrieb, dem Transport oder der Lagerung eines Produktes abgeschlossen haben; und Unternehmen, die zwar keinen Vertrag mit einem Unternehmen haben, aber für ein Unternehmen in den Vertrieb, den Transport oder die Lagerung von Produkten involviert sind (z.B. ein Speditions-/ Transportunternehmen, das ein Produkt befördert oder einlagert).

Transparenzpflichten und Klima-Übergangsplan

Unternehmen – mit Ausnahme der Unternehmen, die bereits Transparenzpflichten nach der EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung unterliegen -, müssen zudem jährlich über die Erfüllung ihrer Verpflichtungen nach der Lieferketten-Richtlinie berichten; und sogenannte Klima-Übergangspläne umsetzen, um die Unternehmensstrategie an den Klimazielen des Pariser Abkommens auszurichten.

Haftung und Vollziehung

Unternehmen sollen zivilrechtlich gegnüber Geschädigten haften, wenn sie es unterlassen, potenzielle nachteilige Auswirkungen zu verhindern; oder tatsächliche nachteilige Auswirkungen zu beseitigen. Auch Gewerkschaften und NGOs können nach der neuen Richtlinie Ansprüche von Opfern geltend machen.

Zur Überwachung der Lieferketten-Richtlinie haben die Mitgliedstaaten Aufsichtsbehörden einzusetzen, die Geldbußen bis zu einer Höchstgrenze von mindestens 5 Prozent des weltweiten Nettoumsatzes des Unternehmens verhängen können. Verstöße können somit auch wirtschaftlich sehr empfindliche Folgen für Unternehmen haben.

Ausblick

Die Lieferketten-Richtlinie verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten, ihre Bestimmungen innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umzusetzen. Unter der Annahme, dass die Lieferketten-Richtlinie 2024 in Kraft tritt, ist sie bis 2026 umzusetzen und wird dann je nach Unternehmensgröße - zwischen 2027 und 2029 anwendbar sein. Jedenfalls sollten Unternehmen rechtzeitig ihre Unternehmensstrategie in Einklang mit der Lieferketten-Richtlinie bringen und entsprechende menschenrechtliche und umweltbezogene Compliance-Systeme entwickeln, um die Gefahr von gerichtlichen und behördlichen Verfahren und anderen Risiken zu reduzieren. Klar ist, dass die Lieferketten-Richtlinie ein neues Zeitalter der Unternehmenscompliance einleitet: Durch das Erfordernis der Einbeziehung der Wertschöpfungskette geht die Lieferketten-Richtlinie massiv über bisherige Anforderungen hinaus und stellt verpflichtete Unternehmen vor komplexe Herausforderungen.

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